Mein Schultag

Kürzlich bin wieder in die Schule gegangen. In eine Grundschule in Griechenland. Dort hatte ich einen Termin mit der Schulleiterin. Meine Videokamera und Mikrofon waren dabei. Das sollte mein erstes Video-Interview zum Schulsystem und der aktuellen Situation vieler Schulen in Griechenland, am Beispiel dieser Grundschule hier auf cashkurs.com werden.

Richtig in Schale hatte ich mich dafür geworfen. Sogar mein neues Sakko hatte ich dafür mitgebracht.

Das Interview habe ich gemacht und aufgezeichnet. Nur zeigen kann ich es Ihnen nicht.

Nun aber der Reihe nach:

 

Die Schulleiterin

Pünktlich zum vereinbarten Termin traf ich bei der „Dimotiko“ Grundschule in einem griechischen Dorf, nennen wir es mal „Neochori“ Neudorf ein.

Die sympathische, blonde Anfangvierzigerin erwartete mich schon mit frisch gebrühtem Kaffee. Schick hatte sie sich gemacht für unser Interview. Sie bildete einen farbenfrohen Kontrast zur spartanischen Einrichtung in ihrem kalten, engen Büro.

 

Unser Gespräch

Sie erklärte mir, dass sie seit dem Schuljahr 2011/2012 Schulleiterin an dieser Grundschule sei und dass in Griechenland die Schulleiter im Abstand von vier Jahren ausgetauscht würden.

Jeder Lehrer könne immer wieder neu entscheiden, ob er als Lehrer oder Schulleiter in den nächsten Jahren arbeiten möchte. Wer letztlich nach Antragstellung tatsächlich als Schulleiter „an die Reihe kommt“, entscheide die übergeordnete Verwaltungsstelle.

 

Auf meine Frage nach Schulpflicht und grundsätzlicher Schulstruktur antwortete sie mir, dass es in Griechenland eine neunjährige Schulpflicht gebe.

Das „Dimotiko“, die Grundschule dauere sechs Jahre, darauf folge das „Gymnasio“ (nicht vergleichbar mit unserem Gymnasium), eine Art Mittelschule für drei Jahre, also von der 7. Bis zur 9. Klasse.

Danach könnten die Schüler für drei weitere Jahre ins „Lykio“ Gymnasium oder Lyzeum gehen. Also von der  10. Bis zur 12. Klasse. Am „Lykio“ würde die Hochschulreife erworben.

Alternativ könne ab der 10. Klasse aber auch eine technische Schule besucht werden. Diese ermögliche dann eine anschließende praktische Ausbildung, wie zum Beispiel zum Krankenpfleger oder Automechaniker.

Ab der 3. Klasse in der Grundschule würde Englisch unterrichtet, ab der 5. Klasse Französisch oder Deutsch.

Wobei ich hierzu anmerken muss, dass der Fremdsprachenunterricht an griechischen Schulen schlicht wertlos ist. Die Kinder lernen so gut wie nichts. Ohne zusätzlichen Unterricht in den weit verbreiteten und einen eigenen starken Wirtschaftsbereich darstellenden „Frontistiria“ Privatschulen, wäre kaum ein Grieche einer Fremdsprache mächtig.

 

Das Grundstück mit Schulgebäude selbst, Baujahr 1955, das ich mir genau angesehen hatte, machte einen einfachen aber zweckdienlichen Eindruck. Es besteht aus dem eigentlichen Schulgebäude mit zwei Klassenzimmern, dem Büro für den Schulleiter, einem Raum mit etwas veralteten Computern und sehr einfachen Sanitäranlagen.

Da der Platz für 6 Klassen nicht ausreicht, wurden auf dem Grundstück noch zwei Baucontainer aufgestellt, die je als ein Klassenzimmer dienen. Da das immer noch zu wenig ist, wurden 50 Meter von der Schule entfernt zwei Räume angemietet.

 

Natürlich wollte ich wissen, wie viele Kinder an dieser Grundschule sind und wie hoch der Ausländeranteil ist.

„Derzeit sind an unserer Schule 70 Kinder. Die Hälfte davon sind Ausländer und zwar Albaner. Fakt ist, dass ohne die ausländischen Kinder die Schule schon geschlossen worden wäre. Allerdings schrumpft die Schülerzahl jährlich. Eine der Ursachen ist natürlich auch in der Finanzkrise zu finden. Die Arbeitsmarktsituation ist so schlecht, dass es selbst viele Albaner vorziehen, wieder zurück in die Heimat zu gehen.

Griechen hingegen ziehen in größere Städte, in der Hoffnung dort Arbeit zu finden oder sie gehen gleich ins Ausland, viele nach Deutschland.

Beim angrenzenden Kindergarten ist unübersehbar, dass viele Paare gründlicher als früher darüber nachdenken, ob sie sich Kinder überhaupt leisten können.“ antwortete sie mir.

 

Nach meiner Erfahrung grenzen sich Griechen und Albaner im gesellschaftlichen Leben stark voneinander ab. Ob das bei den Kindern  auch spürbar wäre, interessierte mich.

Dazu meinte sie, dass die Zusammenführung unterschiedlicher Kulturen und die Integration von ausländischen Schülern eines der wichtigsten Ziele der Schulpolitik sei und dass genau das an der Schule sehr gut gelänge.  Das ganze würde unterstützt und gefördert vom „Erasmus“-Programm der Universität Thessaloniki.

Wie es denn aussehe mit der Ausbildung und dem Verdienst der Lehrer, war ein weiterer Punkt, der mich interessierte.

Das Studium dauere vier Jahre. Hinzu kommt noch ein kurzes Aufbaustudium. Die Chance auf eine Lehrerstelle läge danach bei rund 25 Prozent. Das Anfangsgehalt eines Lehrers betrage derzeit, nach einer Kürzung von 30 Prozent, 610 Euro monatlich Netto. Nach zehn Jahren käme eine erste Anhebung auf 900 Euro Netto.

Sie als Schulleiterin habe nach 19 Dienstjahren ein Gehalt in Höhe von 1200 Euro + einen Zuschlag von 160 Euro für die Schulleitertätigkeit. Die Lehrer machten ihren Job nach wie vor mit Hingabe. Zukunftsängste und ein Gehalt, das ein unabhängiges Leben nicht ermögliche, nage jedoch an der psychischen Konstitution.

Für Veranstaltungen, wie Ausflüge etc. gäbe es kein Geld mehr. Die Eltern beteiligen sich finanziell so gut wie gar nicht. Die meisten seien dazu auch nicht in der Lage. Sie habe früher, im Gegensatz zu jetzt, nie gesehen, dass Kinder ohne Pausenbrot und mit löchrigen Schuhen in die Schule geschickt würden.

Im nächsten Jahr müssten zwei Klassen zusammengelegt werden , weil eine Lehrerstelle gestrichen würde.

In der Nähe dieser Schule errichtete der Bezirk gerade ein neues, großes Schulgebäude. Dort sollen alle Schüler aus dem Umkreis zusammengefasst werden und das System der vielen kleinen Dorfschulen aufgegeben werden.  Das erfordere natürlich von Eltern und Schule einen höheren logistischen Aufwand, spare aber Lehrerstellen.

 

Das Verbot

Soweit unser Gespräch, welches ich heute hier auf cashkurs.com einstellen wollte. Kurz vor Veröffentlichung erreichte mich der Hinweis, dass die vorgesetzte Schulstelle mit der Veröffentlichung nicht einverstanden sei. Deshalb wurde massiver Druck auf die Schulleiterin ausgeübt. Um negative Konsequenzen für sie zu vermeiden, verzichte ich auf die Veröffentlichung der Aufzeichnung und habe die wesentlichen Gesprächsinhalte nun in diesem Text widergegeben.

 

Wirtschaftlicheit

Ich habe mir den naheliegenden Grundschulneubau angesehen. Die reinen Baukosten schätze ich auf rd. 1 Million Euro. Für das Grundstück veranschlage ich mal  200.000 Euro.

Zum Vergleich: das Jahresgehalt eines Junglehrers liegt bei etwa 9500 Euro Brutto. In 10 Jahren macht das 95.000 Euro.

Für das Geld könnte man 25 Lehrer einstellen und 5 Jahre lang bezahlen. Das scheint aber niemanden zu interessieren. So ein schöner Schulneubau macht optisch ja auch mehr her und da können einige im Gegensatz zur Vergabe von Lehrerstellen mitverdienen.  Dazu verweise ich auf meinen Beitrag vom 27.11.

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